Tägliche Entscheidung
Es ist bisweilen sehr bemerkenswert, was dabei herauskommt, wenn man junge Menschen nach der Dankbarkeit fragt. Was durch diesen kleinen Impuls bei ihnen ausgelöst werden kann. Und was für eine Tiefe und ein Reichtum im Ergebnis dieses gedanklichen Ausflugs steckt. Joela Sperling und Micha Nickel stellten sich der Aufgabe und lassen uns in ihr Herz schauen.
„Ich bin wirklich satt, zieh mir Kleidung an und hab so viel, dass ich mich selten leicht entscheiden kann. Schau, wir leben im Luxus, in einem reichen Land, doch kaum einer ist glücklich, denn Dankbarkeit kommt aus deiner [Gottes] Hand. Dankbarkeit ist nichts, was man kaufen kann, nichts, was man einfach so besitzt. Denn wirkliche Dankbarkeit fängt im Herzen an, indem du merkst, wer du bist. Ich weiß ich empfange alles aus deiner [Gottes] Hand, ich hätte nichts ohne dich. Darum nehme ich die Dinge nicht einfach nur dankbar an, sondern gebe anderen diesen Segen zurück.“
Dieser Ausschnitt stammt aus dem Lied „Danke“ von unserem Jahresteam-Leiter Ole Kratzat. Als wir es zum ersten Mal gehört und uns mit dem Thema Dankbarkeit auseinandergesetzt haben, kam für uns die Frage auf: Was bedeutet Dankbarkeit denn für uns? Eine Frage, die wir uns, ehrlich gesagt, zum ersten Mal stellen. Dieser Begriff war uns vermutlich immer zu groß, um ihn wirklich fassen zu können. Klar, wir könnten Wikipedia fragen. Aber wir entscheiden uns dagegen.
Ich muss mich erinnern
JOELA Für mich ist es eine Frage, die herausfordert, weil sie zu einer anderen Frage führt. Nämlich zu der, ob ich wirklich dankbar bin. Es ist aber genauso eine Frage, die es sich lohnt zu stellen, denn auch in der Bibel finden wir Gottes Aufforderung zur Dankbarkeit. „Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ (1.Thessalonicher 5, 16-18)
Ich glaube, Dankbarkeit ist eine Entscheidung. Die Entscheidung für eine Lebenseinstellung. Für die Art, wie ich auf die Dinge schauen und darüber nachdenken möchte. Doch es ist keine einmalige Entscheidung. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, warum es sich lohnt, Dankbarkeit zu leben. Vielleicht ist es meine Aufgabe, wenn der Alltag dazwischenkommt und der Trubel mich aus der Bahn wirft, Dankbarkeit bewusst im Alltag zu verankern und mir die Zeit dafür zu nehmen.
Es fängt in meinem Herzen an
MICHA Dankbarkeit ist für mich ein viel umfassendes Wort und daher fällt es mir oft sehr schwer, wirklich für Dinge im Leben dankbar zu sein. In seinem Liedausschnitt fasst Ole jedoch vieles von dem zusammen, was Dankbarkeit auch für mich persönlich bedeutet. Dankbarkeit fängt bei mir im Herzen an, wenn ich merke, dass ich alles in meinem Leben von Gott empfange und nichts selbstverständlich ist. Oft bin ich mir dessen jedoch nicht bewusst und brauche schwierige Lebensphasen oder Momente der Ruhe, um neu zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Das zunehmende Bewusstsein für Dankbarkeit führt zu einem geistigen Wachstumsprozess, der große Auswirkungen auf meinen Alltag hat: Denn, wenn ich dann von Dankbarkeit erfüllt bin oder mich bewusst für Dankbarkeit entscheide, will ich nicht einfach nur für mich dankbar sein, sondern diesen Segen auch an andere zurück-, beziehungsweise weitergeben. Eine völlig andere Einstellung gegenüber schwierigen Situationen und den Mitmenschen ist die Folge.
Ich werde Gott wieder loben
JOELA Auch für mich verändert die Entscheidung für Dankbarkeit den Alltag. Ich gehe mit offeneren Augen durch die Welt. Dadurch sehe ich die kleinen Dinge, in denen mir Gott immer wieder begegnet. Vogelgezwitscher, ein Sonnenuntergang, eine schöne Melodie oder eine Person, die herzhaft über etwas lacht. Das sind für mich Gründe, um dankbar zu sein und Gott zu loben. Doch oft fällt Dankbarkeit auch schwer, gerade in herausfordernden Lebensphasen. Für mich waren die Jahre 2020 und 2021 eine solche Zeit, denn für uns als Familie stand ein Umzug bevor. Jedoch zog sich der Prozess durch die Corona-Pandemie ein Jahr länger hin als geplant. Im Sommer 2021 ging es dann von Ostfriesland nach Darmstadt. 500km weg von dem, was eigentlich Zuhause geworden war: Freunde, Schule, Gemeinde. In allem wieder von Null anfangen müssen. In dieser Zeit hat mir Psalm 42 sehr viel Mut gegeben. Darin heißt es: „Auf Gott will ich hoffen, denn ich weiß:Ich werde ihm wieder danken. Er ist mein Gott, er wird mir beistehen!“ Wenn es mir gerade schwerfällt, dankbar zu sein, darf ich wissen: Es wird wieder eine Zeit geben, in der ich Gott loben und ihm danken werde!
Mittlerweile bin ich sogar für die Zeit des Umzugs sehr dankbar. Gott hat sie genutzt, damit ich mich persönlich und im Glauben weiterentwickeln kann und er hat mir so viele tolle Menschen geschenkt, die ich dadurch kennengelernt habe.
Bewahrung täglich spürbar
MICHA Auch wenn es bei mir kein Umzug war, kenne auch ich Lebensphasen, in denen mir Dankbarkeit schwerfällt. Vor allem in den letzten Jahren war ich mit vielen vermeidbaren Sportverletzungen geplagt und habe Gott oft dafür angeklagt, da ich nicht verstand, warum das ausgerechnet mir passiert. Eigentlich wollte ich im Sportleistungskurs für mein Abitur nochmal so richtig durchstarten, doch eine Verletzung folgte auf die andere. Ich verstand die Welt nicht mehr und war am Boden zerstört. Doch genau in diesen Phasen ist mir neu bewusst geworden, dass ich meine Gesundheit oft als selbstverständlich genommen habe und selten wirklich dankbar dafür war.
Rückblickend sehe ich sogar in meinem Leben, dass ich nur durch große göttliche Bewahrung überhaupt noch am Leben bin: Die Nabelschnur, die bei meiner Geburt dreimal eng um meinen Hals gewickelt war, oder auch ein Fieberkrampf im ersten Lebensjahr, der mich knapp am Tod vorbeischrammen ließ. Das sind nur zwei Beispiele und ich könnte noch viel mehr berichten, denn Gottes Bewahrung ist auch alltäglich spürbar, wenn ich „mal wieder“ gesund nach einer langen Autofahrt nach Hause komme.
Warum also in Traurigkeit versinken, wenn ich stattdessen auch neu dankbar sein kann?
Gott führt mit seinem guten Plan alles zum Besten – das hat er auch ohne glorreiche Sportlerleistungen mit meinem Abi getan. Kann mir da noch etwas anderes außer Dankbarkeit in den Sinn kommen?
Joela Sperling, 19, hat im Sommer ihr Abitur absolviert und ist seit September im Jahresteam in Küche und Hauswirtschaft eingesetzt. Sie mag Musik und lange Spaziergänge in der Natur.
Micha Nickel, 19, kommt aus Plankstadt und arbeitet während seinem FSJ im Garten und Erlebnisgarten mit. Seine Freizeit verbringt er gerne mit Sport, Musik und guten Freunden.