04_2024

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Ehrlich leben

„Jetzt mal ganz ehrlich…“, so werden manche Sätze eingeleitet, wenn jemand sich traut zu sagen, was er wirklich denkt oder wie es ihm wirklich geht. Ganz ehrlich sein, das erfordert anscheinend Mut. Und vielleicht ist Ehrlichkeit auch manchmal gar nicht so willkommen. Denn wenn einer anfängt ehrlich zu sein, dann stellt sich die Frage an alle, wie ehrlich man selbst gerade ist.

 

Doch ohne Ehrlichkeit kann keine Beziehung gelingen. Ehrlichkeit ist unabdingbar – in der Beziehung zu unseren Mitmenschen und in unserer Beziehung zu Gott. Sonst spielen wir einander nur etwas vor und bleiben trotz und in allen Begegnungen allein. Dietrich Bonhoeffer schreibt im letzten Kapitel seines kurzen Buches Gemeinsames Leben: „Es kann sein, dass Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebetes, trotz aller Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, […] weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, als die Sünder.“

 

Diese Gefahr besteht überall – auch bei uns im Lebenszentrum. Wir treffen uns regelmäßig zum gemeinsamen Gebet, zur Andacht oder auch zum Abendmahl. Doch haben wir tiefe Gemeinschaft? Sind wir ehrlich miteinander und zueinander? Erlauben wir es uns und unseren Geschwistern unperfekt zu sein? Gestehen wir es uns und anderen zu, vergebungsbedürftig und vergebungsbereit zu sein? Eine gute Kultur von Lernen und Vergeben im Alltag ist gefragt, das eigene und fremde Versagen nicht einfach unter den Tisch kehrt. Eine Kultur, die gleichzeitig immer die Hand ausstreckt zur Vergebung und Versöhnung, eine Kultur der friedenstiftenden Ehrlichkeit.

 

So zu leben – in der Gemeinde, im LZA, in der Familie, in Freundschaften, in Beziehungen mit Arbeitskollegen – das ist wirklich herausfordernd, ja vielleicht manchmal überfordernd. Aber wir dürfen Gott offen und ehrlich das Herz ausschütten und uns von ihm zeigen lassen, wo bei uns Veränderungsbedarf ist. Wir dürfen Vergebung empfangen und weitergeben. Dann kann Ehrlichkeit zu einem echten Durchbruch führen, zu einer neuen und tiefen Gemeinschaft mit Gott und unseren Mitmenschen.

 

 

Zu den Beiträgen dieses JOURNALS:

 

Wenn Gott ruft, Chritsian Pletsch und Dr. Jürgen Schulz

In Demut und Zuversicht, Sr. Dora Schwarzbeck

Ohne Masken und Fassaden, Dr. Andreas Käser

Von Jugendlichen lernen, Ole Kratzat

Willkommen in der Zukunft, Dr. Jürgen Schulz

Hilflos, schwach und dennoch getragen, Sr. Uta Könitzer