Abgeschaut

Er kam, sah und lernte. So könnte man die vergangenen 15 Monate seines Lebens zusammenfassend überschreiben und hätte damit das Wesentliche erfasst. Tobias Reich hielt manches nicht für möglich und stellt erstaunt fest, dass er sich geirrt hat. Seine Begegnungen mit der Kommunität haben sein Denken nicht nur auf den Kopf gestellt, er hat sich auch manches abgeschaut und vorgenommen.

 

 

Als ich vor mehreren Jahren das erste Mal von dem „Konzept“ der Kommunität gehört habe, war ich tatsächlich sehr erstaunt. Vor allem von der Entscheidung jedes Einzelnen, das Leben ehelos zu leben, sich Gott und der Gemeinschaft komplett anzuvertrauen und auch finanziell in einer gewissen Abhängigkeit zu sein. Alles Punkte, die für mich völlig unmöglich schienen, einengend und nicht frei machend. Meine Sicht war eher die, dass Menschen, die keinen Partner oder keine Partnerin haben, etwas sehr Schönes im Leben vorenthalten bleibt. Das Geld allein nicht glücklich macht, das war mir natürlich schon bewusst, aber dass es dennoch zum Wohlergehen und zum Erfüllen von Wünschen einen großen Teil beiträgt, war eben auch klar und ich möchte nicht darauf verzichten.

 

 

Einfach normal

So war also meine Sicht der Dinge, bevor ich die Kommunität kennengelernt und mit diversen Geschwistern über diese Punkte gesprochen habe. Bevor ich verstanden habe, dass Ehelosigkeit sehr wohl erfüllend sein kann, dass es etwas Besonderes ist, das Leben nur mit Gott als Partner zu gestalten. Ihn noch intensiver kennenzulernen, als es im Rahmen einer Ehe schon allein zeitlich möglich wäre. Ich habe gelernt, dass es für einige Kommunitätsgeschwister sogar überhaupt keine Schwierigkeit war, mit dem Thema umzugehen. Für sie ist es etwas völlig Normales, ehelos zu sein, und ihr ganzes Leben lang hatten sie nie das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt. Gott hat sie versorgt in allem, was sie nötig hatten, in allem, worum sie gebeten haben und in allem, was sie für ein glückliches Leben brauchen. Natürlich ist das nicht bei allen so „einfach“, aber die eine oder andere Geschichte aus dem Leben eines Kommunitätsmitglieds hat mir gezeigt, dass es auch für sie ein Segen ist, ihr Leben so führen zu dürfen. Und das trotz mancher Schwierigkeiten auch im Bereich der Ehelosigkeit.

 

 

Einfach schwierig

Aber vor allem der Umgang mit Geld, den ich bei den Geschwistern gesehen habe, hat mich sehr herausgefordert, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Ich musste und muss immer wieder feststellen, dass ich manchen Lebenslügen auflaufe und mein Leben zu sehr nach materiellen Dingen auslege. Es ist schwer für mich zu lernen, dass es nicht Geld ist, das für mein Wohlergehen verantwortlich ist. Ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass ich mein Herz nicht zu sehr daran hängen darf, und nicht denke sollte, dass Geld mir Sicherheit gibt. Denn dadurch nehme ich Gott die Kraft und den Raum, um in meinem Leben zu wirken. Ich stoße ihn von der Position als Versorger. Ich mache mich selbst für meine Sicherheit verantwortlich. Und ehrlicherweise bin ich dieser Aufgabe einfach gar nicht gewachsen.

 

 

Einfach großartig

Ich möchte Gott vertrauen, dass er für mich sorgt. Ich möchte mit ihm durch einfache, aber auch durch schwierige Zeiten gehen, daran reifen und in der Beziehung zu ihm wachsen. Ich möchte immer wieder erfahren, dass die Abhängigkeit von Gott frei macht, so widersprüchlich es auch klingen mag. Aber nicht nur, dass ich in diesen Punkten von den Geschwistern gelernt habe, schätze ich am gemeinsamen Leben mit der Kommunität im LZA. Es ist einfach großartig, dass ich durch das Haus gehen kann, immer wieder Schwestern und Brüder treffe und mit ihnen sowohl über tief biblische Fragen reden kann als auch über ganz banale Sachen, wie zum Beispiel das letzte Formel-1 Rennen. Besonders mit Bruder Stefan erlebe ich eine sehr intensive Zeit als Freund und Mentor, welcher mir immer wieder in schwierigen Lebenssituationen hilft und der immer für mich da ist.

 

 

Tobias Reich absolvierte 2020/21 sein Jahresteam im LZA, macht eine Ausbildung zum technischen Produktdesigner und lebt heute noch auf einem Flur mit Br. Stefan.