Dann lernte ich das Staunen

Wer das Haus kennt, kennt auch ihn. Seit vielen Jahren in Leitungsverantwortung brachte und bringt er sich in seiner ganz eigenen Art ein. Br. Matthias Böker hat eine Menge in Bewegung gesetzt, spricht aber lieber über das Wirken und Eingreifen Gottes als über seinen eigenen Beitrag. Was grundsätzlich kein Fehler sein muss. Jetzt tritt er ab und schaut zurück. Dankbar, ehrlich und nachdenklich.

 

 

Ja, im Rückblick auf die 9 Jahre meiner Leiterschaft in der Kommunität und im Lebenszentrum staune ich über die Erfahrungen, die ich mit Gott machte. Mit einer gewissen Anspannung ging ich damals auf den Tag der Leitungsübergabe zu. Natürlich freute ich mich sehr auf die Aufgabe, aber zugleich spürte ich den Anspruch, den ich selbst an mich stellte, es gut zu machen. Würde ich der Aufgabe gerecht werden? Schließlich war mir durch die vorangegangenen 15 Jahre im Leitungsteam der Umfang dieser Aufgabe bewusst. Doch dann lernte ich das Staunen.

 

Staunen über Gottes Ermutigung

Schon bei der offiziellen Beauftragung wich die Anspannung, als ich mir vergegenwärtigte, dass es Gott war, der beauftragte und die Gabe zum Amt gab, wie es mir damals Br. Dr. Oskar Föller zusprach. Auch andere Worte stärkten mich, wie Jos 1,9 „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Und immer wieder erlebte ich in der Folgezeit wie Worte Gottes - etwa aus meiner täglichen Bibellese – ermutigend in meine aktuelle Lage sprachen.

 

Staunen über Gottes Stärkung

Schon frühzeitig war mir klar, dass sich die Klangeinstellung meines Herzens danach richtet, welche Töne in mein Herz eindringen. Deshalb haben für mich neben der täglichen persönlichen Zeit mit Gott auch monatlich eingeplante Tage der Besinnung eine existentielle Bedeutung. Zu Jahresbeginn nehme ich mir zudem 4-6 Tage zur inneren Sammlung und Neuausrichtung. Daniel Zindel nennt sie bezeichnenderweise „Hüttenzeiten“. Ich staune, wie Gott mir in diesen intensiven Zeiten begegnete, mich korrigierte und stärkte, mir viel Zuversicht schenkte und die Vision schärfte.

 

Staunen über Gottes Versorgung

Mit Staunen denke ich auch an manche Großprojekte der vergangenen Jahre, zum Beispiel, als das Haus „Zuversicht“ und später das Haus „Glaubensfreude“ zum größten Teil entkernt und dann in kurzer Zeit renoviert wurden, oder an die Umgestaltung unseres Geländes in einen erlebnispädagogischen Garten. Bei keinem Projekt hatten wir zu Beginn der Arbeiten das benötigte Geld. Das lag mir oft wie eine schwere Last auf dem Herzen. In diesen Situationen des Wartens hielten wir uns gern an Mt 6,33 und Röm 4,17f., die zu unseren Grundworten gehören. Und Gott fand Wege zu helfen. Unsere Mitarbeiter brachten ihre Kraft und Kompetenz ein, befreundete Handwerker halfen ehrenamtlich, Absolventen kamen zu Baueinsätzen, Freunde überwiesen Sonderspenden. In der Rückschau staune ich, wie oft Gott tagesaktuell seine Verheißungen einlöste.

 

Staunen über Gottes Personalpolitik

Wie oft habe ich in diesen Jahren über die Zusammenstellung unseres Leitungsteams gestaunt. Teilweise waren wir ein Dreamteam. Alles passte zusammen. Dann wiederum konnten die unterschiedlichen Sichtweisen einen wirklich den letzten Nerv kosten – und bewahrten uns doch vor einer Engführung. Gott sei Dank. Offen das eine oder andere anzusprechen, führte bei uns zu einem tieferen gegenseitigen Vertrauen. Wir lernten uns nicht nur kennen, sondern auch in der Unterschiedlichkeit zu schätzen und anzunehmen, anstatt einander zu misstrauen. So konnten wir einander zusprechen: „Bitte übernimm Du diese Thematik, dieses Gespräch. Du bist genau die richtige Person dafür.“ Und wir erlebten, wie sich in der Ergänzung unserer Persönlichkeiten und Gaben Segen entfaltete. Ich bin von Herzen dankbar für die Zeit im Leitungsteam mit meinen Geschwistern.

 

Staunen über Gottes Perspektive

In der Zeit meiner Leiterschaft lagen naturgemäß die unterschiedlichsten Herausforderungen. Sie reichten von Fragen der Werks- und Mitarbeiterentwicklung, über Themen der geistlichen Leitung bis hin zum Umgang mit Krankheit und Tod von Kommunitätsgeschwistern. Ich war sehr dankbar, in diesen Fragen auch Berater zu haben, an die ich mich wenden konnte. Als ich einmal in einer sehr bedrängenden Lage war, wandte ich mich an meinen weisen älteren Ratgeber. Nachdem ich meine Situation geschildert hatte, blickte er mich an und sagte gelassen: „Ach, wissen Sie, Gott schenkt Ihnen diese Situation, um Sie zu segnen. Der Auferstandene ist bei Ihnen. Er wird Ihnen die Kraft geben, all das Gute zu tun, das nach seinem Willen durch Sie geschehen soll (Hebr 13,21).“ Dann besprachen wir einige Details. Diese Sichtweise lehrte mich, Herausforderungen aus Gottes Perspektive zu betrachten und mit dem Handeln des Auferstandenen hier und heute zu rechnen.

 

Staunen über Gottes Führung

Im Rahmen unseres 60jährigen Kommunitätsjubiläums findet am 20. November 2022 die Entpflichtung des bisherigen Leitungsteams sowie die Beauftragung des neuen Leitungsteams der Kommunität und Stiftung statt. Bei leitenden Mitgliedern der Kommunität haben wir die Regelung, dass sie nach Beendigung ihres Leitungsauftrags ein Sabbatjahr haben. Das gibt dem ehemaligen Leiter den Freiraum, die bisherigen Aufgaben auch innerlich loszulassen, innezuhalten, aufzutanken und zu klären, wie er sich nach dem Jahr in der Kommunität und im LZA einbringt. Zugleich erleichtert es der neuen Leitung, ihre Art der Leitung zu finden.

 

Ich freue mich, dass ich ab Mitte Dezember für ein Jahr nach Magdeburg gehen werde, um dort in einer Gemeindegründungsarbeit mitzuwirken. Absolventen unseres Theologischen Seminars arbeiten dort seit elf Jahren und haben gerade die Nachbarschaftskirche „Stadtlicht“ gegründet. Weitere „Zweige“ beginnen zu wachsen. Ich liebe die evangelistische Arbeit und werde im Bereich der vervielfältigenden Jüngerschaft das Team unterstützen. Und ich bin schon gespannt, wie ich Gott dort erleben werde.

 

 

Br. Matthias Böker ist studierter Theologe, gehört seit 1988 zur Kommunität und leitete von 2013 bis 2022 das Lebenszentrum und die Kommunität. Er hat Gebet und Weltmission besonders auf dem Herzen und freut sich auf die Erlebnisse und Begegnungen des kommenden Jahres in Magdeburg.