Ich rede einfach gern
Liliana Qorri ist eine von denen, der das Reden grundsätzlich leichtfällt. Offen, dem Menschen zugewandt, mit einer satten Portion positiver Neugier und Lernbereitschaft. Alles drei Faktoren, die ihr gute Dienste leisten. Vor allem auch dann, wenn es um die gesunde Selbstreflektion geht und man entdeckt, dass es beim Reden vor allem auf den Inhalt ankommt.
„G´schwätzt“ wird viel. Hier im Schwabeländle sowieso, irgendjemanden trifft man immer. „Nix g´schwätzt, isch g´lobt gnug“; eines der liebsten Zitate meines nicht schwäbischen Ehemanns.
Wer mich kennt, weiß: reden kann ich! Schon immer und viel. Von klein an hatte ich viel zu erzählen. Ich erinnere mich an folgende Begebenheit: die Schule war zu Ende, ich rannte fast nach Hause, klingelte (wir wohnten damals im 3. Stock), um meiner Mutter von ganz unten schon meine Erlebnisse meines aufregenden Schulalltages hochzurufen.
Strafarbeit
Von einem Kleinkind zu einer Teenagerin. Immer noch nicht still. Immer noch sprudelnd, viel zu erzählen. In der Schule hatte ich die ein oder andere Strafarbeit, weil meine beste Freundin und ich (beide aus italienischen Familien kommend, aber dazu später mehr) uns auch während des Unterrichts viel zu erzählen hatten. Meiner Freundin und mir machte dies auch nichts aus. Mittags, nach der Schule haben wir die Strafarbeit geschrieben und gequatscht. Stundenlang war ich bei ihr, bin nach Hause, um sie sofort wieder anzurufen, bis mein Vater das Telefonkabel rausgezogen hat!
Ausreden
Von der Teenagerin zur jungen Erwachsenen. Die ersten Schritte im Alltag einer Auszubildenden; neue Leute kennenlernen und merken: die kennen mich nicht und verstehen mich nicht richtig. Eine neue Art der Kommunikation lernen. Ausreden lassen, das musste ich lernen und lerne es heute noch. Ein Versuch der Erklärung: Italiener lassen sich nie ausreden; hier wartet man nicht höflich ab, bis das Gegenüber zu Ende gesprochen hat, denn sonst würde man selbst nicht zu Wort kommen. Die Kunst der Italiener: In welcher Anzahl auch immer: 2, 3, 5, 10, 20 am Tisch; alle reden gleichzeitig, alle hören gleichzeitig und alle reden miteinander.
Gleichklang
Von der jungen Erwachsenen zur Erwachsenen. Die Redekunst ist wahrlich eine Kunst. Zu diesem Thema werden Seminare angeboten für Firmen, die sehr viel Geld in Coaching investieren, damit die Mitarbeiter sachliche, konstruktive und am Ende gewinnbringende Gespräche führen können. Je größer der Betrieb, desto höher der Anteil kultureller, familiärer, persönlicher Prägungen und daher wichtig, in dieser Vielfalt einen Gesprächs-Gleichklang zu finden. Die Bibel aber ist mein größter und wertvollster Ratgeber geworden. Wie schnell zerbrechen Beziehungen, weil Worte unüberlegt gesprochen werden. Worte, welche verletzen sollen, Worte, welche aus Verletzung gesprochen werden. Worte, die erniedrigen, Worte, die beleidigen, Worte, die Recht haben wollen. Ein scheinbar unbedeutendes Wort, das „Wort“, richtet es in Wahrheit große Dinge an.
Heilsam
Positiv ausgesprochene Worte können Großes bewirken, Menschen befähigen, sie ermutigen, erbauen, trösten. Positiv gesprochene Worte tun nicht nur der Person gut, welche sie zugesprochen bekommt, sie verändern auch denjenigen, der sie ausspricht. Das Gute reden tut gut! Ist heilsam, lässt erblühen, erstrahlen, belebt, stärkt. Worte haben Macht. Sie können über Leben und Tod entscheiden. Wer sich gerne reden hört, muss mit den Folgen leben. Sprüche 18,21. Negativ ausgesprochene Worte bewirken niederträchtiges; sie demoralisieren, werten ab, verletzen, entwürdigen, lassen Menschen innerlich sterben, verzagen, ja sogar krank werden, lassen Beziehungen zerbrechen.
Versagen
Klug und überlegt, nicht vorschnell reden. Vernünftig sein. In hochemotionalen Momenten eine große Herausforderung, zumindest für mich. Sonntagmorgen: kurz vor dem Gottesdienst mit kleinen Kindern, Geduldsfäden, die aufgrund von Ungeduld, Müdigkeit und Zeitdruck leider oft gerissen sind. Einmal sagte meine Tochter kurz bevor wir aus dem Auto ausstiegen, um in die Kirche zu gehen: „So, jetzt machen wir wieder, wie wenn nix ist und lachen“, was der kleine Bruder nickend bestätigte. Und ja, das war oft so. Aber nicht nur bei uns war es so, oft hörten wir: „Bei uns ist es auch nicht anders“. Was für heilsame Worte für mich als Mutter. Ich versage nicht alleine. Und nein, es ist kein Versagen, wenn die Nerven durchgehen. Es ist menschlich. Und man sollte darüber gut und ehrlich reden dürfen. Über das Versagen, über das Verzweifeln.
Ich will nicht zerstören, verwüsten, ungerecht und böse sein. Will niemanden vergiften. Das Gute reden ist mehr, als nur gut reden. Das Gute reden setzt Respekt dem Gegenüber voraus; die Wertschätzung. Die Akzeptanz des Anderssein und Andersdenken. Das Gute reden benötigt Empathie. Es bedeutet nicht nur hören, sondern zuhören, mitfühlen, den anderen nicht immer verstehen, aber den Wunsch, den anderen verstehen zu wollen.
Liliana Qorri lebt in Eppingen undverließ 2022 ihren Platz in einer Anwaltskanzlei, um sich mit großer Leidenschaft dem Mitarbeiter-Team des TSA am LZA anzuschließen