Wenn Worte Wahrheit werden

Welche Macht Worte haben, weiß Sr. Uta nicht erst seit ihrer Zusatzausbildung zur christlichen Lebensberaterin. Aber spätestens seitdem weiß sie, wie gute Worte helfen, gute Wege zu finden. Ein nicht immer ganz einfaches Unterfangen, wie sie meint, aber eins, dass sich in jedem Fall lohnt.

 

 

Ein junger Mann, ich nenne ihn hier der Anonymität wegen mal Thomas, obwohl er nicht so heißt, saß vor mir und sagte völlig resigniert: „Sr. Uta, ich schmeiß mein Studium hin, es hat doch alles keinen Sinn mehr. Ich schaffe das einfach nicht…“. Sollte ich ihm jetzt irgendwas zusprechen, Hauptsache etwas Gutes, könnte das funktionieren? Wäre nicht erst die Frage zu klären: wie kann ich ihm helfen, dass er aus diesem schwarzen Loch herausfindet? In Momenten wie diesen schenkt mir der Herr oft ein Bild, was zum Beispiel aus diesem jungen Mann werden wird. Ich kann dann für ihnglauben, auch wenn er es nicht glauben kann. Und genau das sagte ich zu ihm: „Mein Vorschlag wäre, dass wir uns beide auf den Weg machen. Ich werde Sie unterstützen, am besten erst mal bei einem Schritt und dann dem nächsten. Momentan haben Sie den Eindruck, dass Sie Ihr Studium nicht schaffen. Aber ist das wirklich wahr, oder könnte es sein, dass Sie sich das vielleicht nur einreden?“

 

Nicht einfach nur daherreden

Kann ich in jedem Fall jemandem etwas Gutes zusprechen? Wovon hängt es ab? Durch positive Sprache kann ich das Risiko von Missverständnissen, Verärgerungen, Ablehnungen und andere Störungen verringern, das auf jeden Fall. Aber wie und wann wende ich es an? Das Wichtigste ist, wie ich finde, dass das Gute von Herzen kommt.

 

„Man sieht nur mit dem Herzen gut.“  sagt der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupery. Wenn ich etwas von Herzen sage, kommt es beim andern auch in seinem Herzen an, er merkt es. Von Herz zu Herz, sozusagen. Ich kann nicht einfach etwas aus dem Ärmel schütteln, oberflächliche Worte, die vertrösten, etwa wie: „Das schaffst du schon, es wird alles gut.“ Vor allem ein verzweifelter Mensch merkt es, wenn etwas nur so dahergeredet ist, aber das echte Verstehen, die Wertschätzung fehlt. Es gibt übrigens Situationen, in denen es nicht ausreicht, allein eine gute Absicht zu haben. Manchmal brauche ich im Hintergrund auch fundierte Kenntnisse. Das gilt besonders, wenn es sich um Depressionen oder Demenzerkrankungen handelt. Einen Bibelvers zu zitieren reicht da nicht aus oder kann das genaue Gegenteil bewirken. Zum Beispiel ein „Fürchte dich nicht…“ aus Jesaja 41,10, wenn der momentane Zustand des Angesprochenen ihm das genaue Gegenteil einredet, die Angst ihn fest im Griff hat. Da braucht es eben dieses Wissen, wie gehe ich bei Depressiven vor, was könnte dem Betroffenen jetzt im Augenblick helfen? In so schwierigen Momenten schenkt der Heilige Geist oft die richtigen Worte oder Gedanken, was dem Verzweifelten wirklich hilft. Manchmal sind das dann Worte, allzu oft aber eben auch nicht.

 

Ich unterstütze, fördere, ermutige

Wenn ich meinem Gegenüber bessere Aussichten anbiete, dann schafft das bei ihm auch bessere Einsichten: „Ach so ist das, daran habe ich noch gar nicht gedacht, auf diesen Punkt wäre ich gar nicht gekommen.“ Ich unterstütze, fördere und ermutige, bestärke und trete für den Menschen ein. Das ist das Gute, was ich Menschen mitgebe. Und darüber hinaus natürlich, dass ich für ihn bete.

 

Doch das Gegenteil ist auch möglich. Negative Handlungen und abschätzige Worte „beißen“ sich sozusagen in den Gefühlen und Erinnerungen fest. Es braucht Zeit und ehrliches Engagement, um sie auszugleichen und eine positive Basis wiederherzustellen. Nach einem Vorwurf oder abschätzigen Bemerkung sind fünf wertschätzende, liebevolle Worte oder Handlungen erforderlich, um dieeinenegative Handlung oder Äußerung aufzuwiegen. John Gottmann erforschte diese Theorie an Paaren.

Was, wenn ich einem Kind dauernd sage: „Du schaffst das nie, aus dir wird nichts, du kriegst es einfach nicht hin“? Wenn es diese Worte immer wieder vom Vater oder der Mutter hört, wird es zur Überzeugung kommen, dass es wirklich so ist. Die Aussage der Eltern manifestiert sich und wird für das Kind zur Wahrheit.

 

Wie Balsam für die wunde Seele

Ein sehr mühsamer Weg in der Begleitung beginnt, damit Thomas jetzt als junger Erwachsener glauben lernt, dass er doch etwas kann und Gott ihn tatsächlich begabt hat. Aber der dauernde, negative Zuspruch klebt an ihm, wie eine Klette. In seiner Persönlichkeit hat das tiefe, unschöne Spuren hinterlassen. Um zu lernen, wie es geht, das Alte abzulegen, dazu braucht Thomas ein gutes Handwerkszeug. Auch damit er das Neue glauben lernt, und es sich so langsam in seinem Alltag etablieren kann. Das braucht Zeit und Geduld. Vor allem brauchte es auch ein stetiges Ermutigen meinerseits. Worte können also viel zerstören, aber eben auch heilen. Gutes zusprechen und herzliche Worte sind wie Balsam für die Seele. Die schönste Form, um einen Menschen Gutes zuzusprechen, ist der Segen. Durch einen Segen soll einer gesegneten Person Anteil an göttlicher Kraft oder Gnade gegeben werden. Indem Gott segnet, sagt er seine heilende, stärkende und mutmachende Begleitung durch Höhen und Tiefen des Lebens zu. Segen zusprechen, jeden Morgen zum Beispiel, wenn der Sohn oder die Tochter aus dem Haus gehen. Oder im Stillen jemanden segnen, zum Beispiel die gestresste Verkäuferin an der Kasse. Ein geliebtes Gebet, das ich fast täglich bete, ist: „Jesus, bitte segne mich, damit ich ein Segen sein kann.“

 

Mit Thomas habe ich einen langen Weg zurückgelegt. An sein Studium hat er sich dann doch wieder gewagt und es am Ende mit sehr gut bestanden. Es lohnt sich also auf jeden Fall, Menschen Gutes zuzusprechen.

 

 

Sr. Uta Könitzer ist gelernte pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, hat am TSA studiert, gehört seit 1978 zur Kommunität, steht vielen als ausgebildete Lebensberaterin zur Seite und liebt es, kreativ mit Holz zu arbeiten.