Wer viel geweint hat, kann auch viel lachen

Im Grunde war das Projekt zum Scheitern verurteilt: Wie soll man denn, bitte schön, das Leben einer siebzigjährigen Frau in all seinen Facetten auf zwei Seiten so darstellen, dass es einen ordentlichen Eindruck widerspiegelt? Detlef Eigenbrodt hat es dennoch versucht, und sprach anlässlich ihres 50jährigen Jubiläums in der Kommunität mit Sr. Elisabeth Greiner.

 

 

Sr. Elisabeth, was war eigentlich der entscheidende Impuls für dich, in die Kommunität einzutreten?

Da gab es nicht den einen Impuls, da gab es eine ganze Reihe. Angefangen bei meiner Kindergarten-Schwester Martha, bei der ich schon dachte, „so wie die möchte ich auch mal sein“, über ein ganz persönliches Gebet bei meiner Konfirmation, der Beginn meiner Beziehung zu Jesus bis hin zu einer Einladung zum JuMi ´73 nach Adelshofen, während dem es ganz konkret um Berufungsthemen ging. Es war ein langer, kurviger Weg von Berufung, Schock, Gewissheit und trotzdem großer Angst bis hin zu einem Entschluss. Eine Sammlung vieler Eindrücke und Impulse, die mich geleitet und schließlich bestätigt haben.

 

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert? Ich meine, es gab doch sicher nicht nur positives „Hurra“ dazu…?

Nein, es gab im Grunde fast nur Unverständnis. Manche waren geschockt, manche glaubten, ich wäre an eine Sekte geraten, manche schwiegen und distanzierten sich. Ich hatte in dieser Zeit auch die Beziehung zu meinem Freund beendet, das war für ihn schmerzlich auf der einen Seite und sehr schwer zu verstehen. Vor allem auch deshalb, weil ich den Abbruch unserer Freundschaft nicht richtig klären konnte. Erst viel später habe ich begriffen, wie tief die Verletzungen waren, die ich ihm damit zugefügt hatte. Die Einzige, die mich verstanden und voll unterstützt hat, war meine Mutter.

 

Und jetzt bist du schon 50 Jahre in der Kommunität, kannst du dich noch erinnern, was du in der Zeit an Aufgaben und Verantwortungen hattest?

Das kann ich gar nicht alles aufzählen: Ich war in der Küche, baute das Nähzimmer auf, arbeitete Jahrzehnte in diesem Bereich und bildete unsere Hauswirtschaftslehrlinge im Nähen aus, bei Freizeiten war ich ab und zu im Kinderdienst, habe bei Veranstaltungen im Duett gesungen, hatte bei Freizeiten die Leitung für den Speisesaal und die Früh,- und Spätdienstleitung und Wochenenddienste in der Küche. Rund um die Uhr habe ich Sr. Uta während ihrer Krankheitszeiten versorgt; da wir über 10 Jahre das Zimmer teilten war das selbstverständlich für mich. Ich habe in unseren Häusern geputzt, war im Fahrdienst, an der Rezeption und in der Gästebetreuung. Viele Jahre war ich im Team der Kindertage, habe Kostüme genäht und den Fundus organisiert und verwaltet. Ich könnte grad so weiter machen - ich habe gemacht, was anfiel und mir zugewiesen wurde.

 

Das war sicher nicht nur einfach. Ich kenne dich als Frau, die sehr, sehr gerne lacht. Was sind die Situationen, in denen du nicht nur geschmunzelt, sondern dich vor Lachen richtig „weggeworfen“ hast?

Hm, diese Formulierung ist gar nicht so meine, um ehrlich zu sein. Ich habe eins gelernt: „Wer viel weint, kann auch viel lachen“, und ich lache wirklich gern und viel. Aber ich trage auch eine schwere, sorgenvolle, sehr empfindsame Seite in mir. Mal himmelhochjauchzend, mal zu Tode betrübt…

 

Steht dir diese Empfindsamkeit eher im Weg oder hilft sie? Du bist ja auch ein sehr geradliniger und deutlicher Mensch, was vermutlich hin und wieder auch zu Spannungen führt. Wie gehst du damit um?

So deutlich und direkt ich in der Tat bin, kann ich doch die Sicht und Meinung anderer stehen lassen. Aber weißt du, es gibt eine Situation in meiner Kindheit, in der mein Vater durch sein kriegsbedingtes Trauma in einer Weise reagierte, die bei mir ein eigenes Trauma auslöste. Das habe ich natürlich erst sehr viel später überhaupt begriffen. Das war der eigentliche, springende Punkt, der in mir selbst und in meinen Beziehungen auch innerhalb der Kommunität zu Konflikten geführt hat. Wir waren damals alle nicht sehr bewandert im Erkennen dieser Dinge, da wurde vieles „vergeistlicht“, was im Grunde eine solide psychologische Aufarbeitung nötig gehabt hätte um zu gesunden. Ich habe mich oft auf die Worte von Petrus zurückgezogen, wenn ich wie gelähmt vor Angst dastand: „Herr, wohin soll ich denn gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens!“ Ich habe nie daran gezweifelt, am richtigen Platz zu sein, wirklich nicht, aber die Zeiten der Auseinandersetzungen und Erschöpfungsdepressionen haben ganz schön viel Kraft gekostet. Auf der anderen Seite haben sie mir Gottes Gnade wunderbar vor Augen gemalt. Ich habe gelernt, dass er mich sieht und liebt, so wie ich bin.

 

Was für eine besondere geistliche Einsicht, geboren durch schwere menschliche Momente. Wenn du aus allem, was du gelernt hast, eine Lektion herausgreifen solltest, die dir besonders wertvoll ist – welche wäre das?

Das ist jetzt tatsächlich mal einfach: Gott ist treu, ich kann mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen, er lügt nicht und hält, was er verspricht. Ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer ist mir sehr wertvoll und zur eigenen Überzeugung geworden: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen“. Als ich damals in die Kommunität eingetreten bin, lag ein Kärtchen mit einem Bibelwort auf meinem Bett: „Gnade und Treue sollen dich nicht verlassen“, aus Sprüche 3, 3. So habe ich es erlebt und erlebe es bis heute so.

 

 

Sr. Elisabeth Greiner ist gelernte Schneiderin. Sie weiß sich von Gott an den richtigen Platz gestellt, gehört seit 1974 zur Kommunität und feiert dieses Jahr ihr 50. Jubiläum.