Täter des Wortes

Wir haben es manchmal nicht so damit, dass uns jemand sagt, was wir tun sollen. Zu groß ist der Wunsch nach Selbstbestimmung. Wir können das alleine. Meinen wir. Können selbst entscheiden, was zu tun ist. Meinen wir. Jakobus widmete sich diesem Thema in einem Brief an die gesamte damalige Christenheit, Dr. Jürgen Schulz erklärt, warum.

 

 

„Ich bin nicht religiös, ich glaube an Gott.“ sagte ein bekannter Fußballtrainer vor kurzem in einem Interview. Seit einigen Jahren taucht dieser Gedanke in unterschiedlichen Formen in den sozialen Medien auf. Der eine sagt: „Ich bin nicht religiös, sondern Christ.“ Der andere meint: „Der christliche Glaube ist nicht eine Religion, sondern eine Beziehung.“ Ich verstehe die Motivation hinter diesen Sätzen. Und trotzdem sind sie widersinnig. Ja, der Glaube an Jesus ist mehr als religiöse Tradition oder frommes Kulturgut. Es gilt aber dennoch: Wer glaubt ist auch religiös.

 

Vergessen wir den Selbstbetrug

In Jakobus 1,27 lesen wir von einer „echten und untadeligen Frömmigkeit“ (NGÜ). Andere Bibelübersetzungen sprechen hier von einem „reinen Gottesdienst“ (LUT) oder einer „echten Religion“ (NET). Von Christen wird ein religiöses Leben erwartet. Frömmigkeit, Gottesdienst, Religion. Alle Begriffe haben einen gemeinsamen Nenner: an der Lebensgestaltung wird der christliche Glaube sichtbar. So sehr wir auch mit den kantigen Aufforderungen in der Bibel unsere Probleme haben mögen: Wer das Vertrauen auf Gott setzt, von dem dürfen praktische Veränderungen erwartet werden. Mit dieser großen Betonung auf die Praxis des geistlichen Lebens haben so manche evangelischen Christen ihre Schwierigkeiten.

 

Christen, die Gottes Wort hören, aber nicht tun, betrügen sich selbst. Sie sind wie Menschen, die morgens in den Spiegel schauen, in den Alltag gehen und vergessen, was sie gesehen haben. Wir kennen das Beispiel heute aus dem Leistungssport. Wenn ein Sportler sich physisch nicht fit hält, wirft das Fragen über ihn und seinen Charakter auf. Ist er gesund? Oder fehlt ihm Disziplin? Ist ein Sportler nicht fit, passt die äußerliche Performance nicht mit der Identität als Sportler zusammen. Deswegen ordnen Sportler ihren Alltag und ihre Gewohnheiten so, dass sie im Sport erfolgreich sein können. Von Christen wird die gleiche Einstellung erwartet: Wer Gott vertraut, soll das Leben auch entsprechend dem Wort Gottes gestalten.

 

Alles eine logische Konsequenz

Jakobus setzt die vertrauensvolle Beziehung zwischen Menschen und Gott an den Anfang seines Briefes (1,21). Wer Gott vertraut, wird ein Kind Gottes, erhält also eine neue Identität. Und mit dieser neuen Identität ist der Grundsatz, nicht nur Hörer, sondern auch Täter zu sein, die logische Konsequenz. Wer Gottes Wort hört und ihm vertraut, von dem darf auch erwartet werden, dass er befolgt, was Gottes Wort sagt. Alles andere ist Selbstbetrug. Wir Menschen sind Meister darin, uns selbst zu betrügen. Wir überschätzen uns selbst, malen uns die Welt schön und glauben, die Helden des Universums zu sein. In der christlichen Welt kann es dann mal schnell heißen: Als Christen können wir die Welt transformieren. Oder: Weil ich als Kind Gottes heilig bin, wird alles gut werden. Das Gegenstück der Selbstüberschätzung ist die Selbstsabotage: Wir machen uns selbst klein, stellen uns in Frage und sehen ständig alles schwarz. Auch das gibt es in der christlichen Welt: Weil wir in einer bösen Welt leben, distanzieren wir uns vom gesellschaftlichen Leben, und warten auf den Himmel. Oder: Es ist sinnlos, ein anständiges Leben führen zu wollen. Ich werde doch sowieso wieder sündigen.

 

Keine Freiheit ohne Grenzen

Wer zu Gott gehört, wird aufgefordert, den eigenen Selbstbetrug zu bekämpfen. Es kann nicht sein, dass Menschen behaupten Christen zu sein, aber nicht fromm leben wollen. Solche Menschen täuschen sich und andere. Um im Glauben fit zu bleiben, müssen wir uns gute Gewohnheiten antrainieren. Für Jakobus hängen geistliche Fitness und Bibelkenntnisse eng zusammen. Wer vom Selbstbetrug befreit werden möchte, muss das „Gesetz der Freiheit“ kennen (Jakobus 1,25). Wir müssen wissen, was es bedeutet, unser Leben fromm zu gestalten. Ja, der Imperativ ist bewusst gewählt. Wir müssen! Es gibt keine Freiheit ohne Grenzen. Jakobus definiert es so: Christen, die nicht fromm leben, sind eine Täuschung. Menschen, die fromm leben, werden „glücklich und gesegnet sein.“ (Jakobus 1,27)

 

Fromme Menschen lassen den christlichen Glauben ihren Alltag prägen. Der Fromme ist gerade nicht scheinheilig, sondern glaubensstark. Wir glauben, was wir hören und setzen es in die Tat um. Das bedeutet vor allem, dass wir uns für die Armen und Schwachen einsetzen. Wir leben als Christen mitten in der Gesellschaft, sehen unsere Mitmenschen und suchen nach Wegen, wie wir ihnen ein Segen sein können. Vor allem denen, die mittel- und hilflos sind. Wir ziehen uns nicht in fromme Kreise zurück, sondern pflegen einen gesunden Glauben, während wir mit Menschen zu tun haben, die unseren Glauben und unsere Werte nicht teilen (Jakobus 1,27).

 

Menschen, die Gott ernst nehmen

Dieses Prinzip, Täter des Wortes und nicht allein Hörer zu sein, können wir mitten in unseren Alltag integrieren. Unsere Gesellschaft lebt davon, dass wir aufeinander achten. Wer im Bildungsbereich arbeitet, stärkt Menschen in ihrer Selbständigkeit. In der Pflege stehen wir Menschen bei, die in Not sind. Jakobus fordert Christen heraus, ein neues Selbstverständnis zu entwickeln. Christen setzen sich aktiv und ernsthaft ein, die Not der Menschen zu lindern und heilig zu leben. Wer sich aktiv zum Wohl der Mitmenschen einsetzen möchte, muss nicht erst in die Armenviertel dieser Welt reisen. Es beginnt in der Familie und Nachbarschaft. In der Kindertagesstätte und in den Schulen. Aber natürlich kann dies auch bedeuten, dass Menschen in der Folge ihrer Erkenntnis und Betroffenheit Entwicklungshelfer werden. Oder Politiker, Jurist und Künstler. Oder dass Unternehmen ihre Unternehmenskultur verändern. Alles eine Folge als Umsetzung dessen, was Jakobus schreibt.

 

Wenn Menschen Gottes Wort ernstnehmen, befolgen und sich nach ihren Möglichkeiten zum Wohl für andere einsetzen, erfährt diese Welt ein großes Stück vom Segen Gottes. Und wer weiß, vielleicht blühen so auch ganze Gesellschaften neu auf!

 

 

Dr. Jürgen Schulz, verheiratet mit Lydia und Vater von vier Kindern, ist seit Januar 2023 Rektor des Theologischen Seminars Adelshofen. Er hat eine tiefe Liebe zur Gemeinde, eine Leidenschaft für das Alte Testament und meint: geht nicht, gibt’s nicht!