Abwarten, was Gott daraus macht

Eigentlich gehört sie eher zu denen, die man nicht so oft sieht und hört, sie arbeitet und dient mehr im Hintergrund als vorne. Umso spannender ist ihr Beitrag, den Sr. Doris Totzauer zunächst als Andacht im Rahmen der Kommunität hielt. Ihre Betrachtung bewegt sich zwischen biblischem Text und persönlicher Stellungnahme und resümiert: Abwarten, was Gott daraus macht.

 

 

Dem Text[1] geht die Ermordung von Johannes dem Täufer voraus. Nachdem dieser getötet wurde, zog sich Jesus in eine einsame, unbewohnte Gegend zurück. Er wollte allein sein in seinem Schmerz. Doch die Menschen erfuhren davon und folgten ihm. Und Jesus sprach mit ihnen. Lange. Und er gab ihnen, was sie nicht hatten: etwas zu essen.

 

Er wollte allein sein

Als die Menschenmassen ihn dann endlich wieder „losließen“, forderte Jesus seine Jünger auf, in ein Boot zu steigen und über den See zu fahren. Fast könnte man sagen, er zwang sie. Er wollte allein sein in seinem Schmerz, ging auf einen Berg und betete. Was wirklich in ihm vorging, das erfahren wir nicht.

 

Mittlerweile waren seine Jünger mitten auf dem See. Müde und von Jesus allein gelassen kämpften sie mit den Naturgewalten. Ein Sturm war aufgezogen. Und sie hatten einen langen Tag hinter sich. Sie hatten Not durch die Wellen. Ob diese auch ins Boot schlugen? Mussten sie schöpfen, um das Wasser loszuwerden? Sie kommen kaum voran. Was werden sie wohl gedacht haben? Vielleicht: Was mache ich nur hier? Wie kann Jesus uns das zumuten? Wieso hat er uns alleine losgeschickt? Warum ist er nicht hier? Interessiert es ihn nicht, wie es uns geht? Warum bringt er mich und uns alle in so eine gefährliche und ausweglose Lage!?Den Menschen, die sich ihm aufgedrängt haben, hat er zu Essen gegeben. Aber für uns interessiert er sich nicht. Hat er uns vergessen? Was die Jünger wirklich gedacht haben, darüber wissen wir nichts. Verständlich wären solche Gedanken allerdings gewesen.

 

Müde und abgekämpft

Und dann, in der vierten Nachtwache, also zwischen drei und sechs Uhr morgens, in der Zeit, in der die Müdigkeit am schlimmsten ist, kommt Jesus ihnen entgegen. Er geht auf dem Wasser! Kommt auf sie zu! Vielleicht gab ja der Mond etwas Licht. Die Jünger hielten Jesus dennoch für ein Gespenst. Was auch sonst sollte es sein?! Wer hatte denn schon mal davon gehört, dass ein Mensch übers Wasser geht? Vor Schreck schreien sie ihre Angst und Panik laut heraus. Ich hätte da sicher mitgeschrien.

 

Jesus spricht sie an: Ich bin es. Fürchtet euch nicht. Habt keine Angst. Ich komme zu euch. Ich sehe euch, ich sehe dich, jeden einzelnen. Ich kenne deine Not.

 

Kaum erkennen sie ihren Herrn, handelt Petrus. Der erstaunt mich wirklich. So müde und abgekämpft er ist. Kaum ist Jesus da, da erwachen seine Lebensgeister. Nur schnell hin zu ihm. Herr, wenn du es bist, dann lass mich zu dir kommen! Ich weiß nicht, ob ich den Mut aufgebracht hätte. Und den Glauben hätte ich auch nicht gehabt. Nun steigt Petrus über den Bootsrand und geht auf Jesus zu. Auf dein Wort hin, Herr, komme ich. Das ist Glaube!

 

Es stürmt immer noch

Ich habe auch schon Aufgaben im Glauben angepackt. Eine Ausbildung, ein neuer Job, ein Umzug. Im Glauben habe ich Jesus vertraut. Aber wie ist das, wenn es schwierig wird? Wenn Probleme auftauchen? Wenn es nicht so geht, wie ich mir das vorstellte? Geht es mir da so wie dem Petrus, der mutig anfing, seinem Herrn auf dem Wasser entgegenzugehen? Es stürmt immer noch. Die Wellen sind immer noch da. Plötzlich nimmt er sie wieder wahr. Sie sind real. Der Wind ist unangenehm, treibt ihm Kälte und Gischt ins Gesicht. Vielleicht fragte sich Petrus in diesem Augenblick: Was mache ich denn hier? Spinne ich jetzt total? Habe ich mich komplett verrannt, völlig überschätzt? Ist alles ein Irrtum?

 

Petrus sieht auf die Wellen und erschrickt. Und dann beginnt er zu sinken. Er verliert im wahrsten Sinne den Boden unter den Füßen. Er verliert den Blickkontakt zu Jesus. Und schreit seine Not laut heraus.

 

Aber Jesus ist da

Ich darf es so wie Petrus machen. Ich darf meine Not Jesus entgegenschreien, darf klagen. Jesus hält das aus. Er sagt nicht: Das hast du dir jetzt selber eingebrockt, sieh zu, wie du damit fertig wirst. Nein, Jesus streckt seine Hand aus! Er greift nach Petrus, fasst ihn an und hält ihn fest. Er lässt ihn nicht untergehen! Das finde ich stark. Jesu Hand ist stark genug. Er hält Petrus fest. Er hält auch mich fest. Auch wenn ich zweifle, nichts sehe. Wenn die Situation mich übermannt. Jesus ist da. In Johannes 10, 28 steht: „Ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

 

Das habe ich erlebt. Durch einen Bandscheibenvorfall war ich im Krankenhaus. Hatte vier Wochen heftigste Schmerzen. Wir haben das nicht in den Griff bekommen. Und doch war Jesus bei mir. Stunde um Stunde erlebte ich, dass ich Kraft hatte, das durchzustehen. Ich habe da nicht an Morgen gedacht. Ich war nur im Jetzt und im nächsten Augenblick. Ich konnte keine Stille halten, konnte keine Bibel lesen. Aber Jesus war da. Stunde um Stunde wusste ich mich von ihm getragen. Sr. Waltraud, eine von uns, die leider schon verstorben ist, hatte schlimmes Rheuma. Ich fragte sie einmal, wie sie das aushält. Und ihre Antwort war: „Jeden Morgen bitte ich Jesus für den einen Tag um die nötige Kraft.“ Nicht für morgen und übermorgen. Nur für Heute. Daran hatte ich mich erinnert. Das hat mich in meiner Situation ermutigt, Jesus zu vertrauen. Für Heute!

 

Plötzlich ist alles still

In dem Bericht über Jesus, die Menschenmassen, die Jünger im Boot und Petrus auf dem Wasser, den Matthäus in Kapitel 14 seines Evangeliums aufgeschrieben hat, geschieht plötzlich etwas Erstaunliches. Nachdem Jesus Petrus die Hand gereicht hatte, stieg er mit ihm zu den anderen Jüngern ins Boot. Und plötzlich ist alles still. Wind und Wellen sind weg. Er hat nicht mal ein Wort gesagt. Alles ruhig. Alle Not ist vorbei.

 

Jesus hält jetzt keine Gardinenpredigt. Hält seinen Jüngern nicht vor: Nun glaubt doch mal richtig an mich. Habt ihr nicht eben das riesige Wunder mit der Brotvermehrung gesehen? Habt ihr das schon wieder vergessen? Nein, vorangegangene Erfahrungen zählen jetzt nicht. Aber sie können mich ermutigen, Jesus auch jetzt zu vertrauen. Und vielleicht hat Petrus ja tatsächlich an das Wunder der Brotvermehrung gedacht, als er über die Bootswand stieg. Vielleicht hat ihn ja tatsächlich gerade das ermutigt, einen sehr ungewöhnlichen Schritt zu gehen. In jeder neuen Situation gilt es Jesus neu zu vertrauen. Glaube heißt: auf Jesus sehen. Glaube erfordert Mut zum „Ja“. Zum Annehmen der Situation und dem Abwarten, was Gott daraus macht.

 

 

Sr. Doris Totzauer ist gelernte Krankenschwester und gehört seit 1991 zur Kommunität. Sie arbeitet hauptsächlich in der Waschküche des Lebenszentrums und setzt sich ehrenamtlich im Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes in Eppingen ein.

 

 

[1] Matthäus 14, 25-33