Es geht um Beziehung

Man kann es wohl von verschiedenen Seiten betrachten. Wenn Sr. Martina Luschnat aber über Nachfolge spricht, dann spricht sie zunächst über ein Beziehungsgeschehen und den daraus resultierenden Prozess von Entwicklung. Damit wird sie sehr persönlich und schnell ist klar: Sie ist eben nicht nur Leiterin, sondern auch Mensch.

 

 

Die Tatsache, dass Gott mich wollte, schuf und liebt, wurde in meiner Familie, in der Jungschar und im Kindergottesdienst mehr oder weniger gut gelebt und bestätigt. Als Konfirmandin erkannte ich den Wunsch in mir, mein Leben mit Gott zu führen. Er sollte mich leiten und ihm wollte ich folgen. (Ps.86,11) Seitdem war und ist es mein Wunsch, für Gott da zu sein. Ich wollte mit an seinem Reich bauen und mich für ihn einsetzten. Und da ich eher über den Verstand als über Gefühle funktioniere, schien mir der Schritt in die Nachfolge nur logisch und sehr sinnvoll zu sein.

 

Es ging um mich

„Weil Gott so viel Erbarmen mit euch hatte…stellt euch ihm ganz zur Verfügung.“ Dieser Vers aus Römer 12 hakte auf der Abschlussfreizeit der damaligen Lebensschule bei mir ein. „Ganz zur Verfügung stellen“, meint das nicht: Kommunität? Dieser Gedanke löste bei mir eine sehr große Freude aus. Ihm nachzugehen und konkret zu werden, hatte allerdings zu Folge, dass ich die Wünsche und Glaubensvorstellungen meiner Eltern durchkreuzen würde. Sie empfanden meinen Schritt als zu radikal, und sie meinten, man könne ja wohl auch als Christ leben, ohne gleich in die Kommunität einzutreten. Ja, natürlich kann man das. Aber mein Eindruck war, dass Gott mich in das gemeinsame Leben mit vielen anderen führt, und ich so am besten an seinem Reich mitbauen kann. Es ging nicht darum, was man konnte, sondern was ich sollte. Zum ersten Mal erfuhr ich, das Nachfolge auch etwas kosten kann, dass ich mich entscheiden muss, auf wen ich hören will. Wäre ich bereit, im schlimmsten Fall die Beziehung zu meinen Eltern „auf’s Spiel zu setzten“, um den Weg zu gehen, von dem ich überzeugt war, dass er der richtige ist? Das war keine leichte Entscheidung und hat mir viel abverlangt. Aber ich habe sie bis heute nicht bereut. Die Beziehung zu meinen Eltern hat sich übrigens langsam, aber sicher auch erholt.

 

Die Theorie auf der Probe

Ich folge Jesus nur so weit, wie ich ihm vertraue. Und Vertrauen entsteht durch Erleben. Je mehr ich Jesus kennenlerne, je mehr ich ihn erlebe, desto mehr kann ich ihm vertrauen. Im Epheserbrief heißt es: „So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder“. (Eph.5,1- 2) Zu wissen, dass ich unendlich von Gott geliebt bin, das ist das eine. Dass ich aber mein Leben auch nach dieser Tatsache ausrichten muss und mich im „Angriffsfall“ darin bergen kann oder etwas für Jesus wage, dass ich meine Komfortzone verlasse, das ist etwas ganz Anderes und kostet mich etwas. Da wird die Theorie in der Praxis geprüft.

 

In einem unserer kommunitären Morgengebete heißt es: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach“. (Luk.9,23) „Der verleugne sich selbst…“ meint ja nicht, sich klein oder schlecht zu machen, sondern freiwillig, aus Liebe und Vertrauen zu Jesus darauf zu verzichten, den eigenen Wünschen immer den Vorzug zu geben, immer den eigenen Interessen den ersten Platz zu geben oder Wohltaten, die man anderen zukommen lässt, an die große Glocke zu hängen. „Sich verleugnen“ heißt, statt im Internet zu surfen, Zeit mit Jesus zu verbringen, statt mich in mein Zimmer zurückzuziehen, noch einen Spaziergang mit einer Mitschwester zu machen, obwohl das von meiner „freien Zeit“ abgeht, jemandem einen Gefallen zu erweisen. Es heißt mein Geld nicht nur in eigene Wünsche zu investieren, mich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Das sind alles Übungsfelder meines Alltags und ich schreibe leichter darüber, als dass ich sie erfolgreich lebe.

 

Ich weiß um die Worte

„Und nehme sein Kreuz auf sich…“. Was ist denn eigentlich mein Kreuz? Für mich, Sr. Martina Luschnat, sind es meine ganz persönlichen Eigenschaften, meine Prägung, mein Gewordensein, meine Charakterzüge, die mir zu schaffen machen und an denen ich manchmal leide. Die ich aber auch nicht einfach umdrehen kann. Für mich meint „Kreuz auf sich nehmen“ zu akzeptieren, wie ich bin. Ein „ja“ dazu zu haben, dass ich unvollkommen und ergänzungsbedürftig bin und mich trotzdem für das einzusetzen, was Jesus wichtig ist. Jeder hat sein eigenes Kreuz, und ich weiß um die Worte, die Paulus in Galater 6,2 schreibt: „Einer trage die Last des Anderen“. So trage ich neben meinem Kreuz auch die anderer, manche geduldig, manche muss ich ablegen, damit ich nicht zerbreche.

 

Das Kreuz auf mich nehmen, heißt für mich aber auch, mich nicht aus schwierigen Situationen hinausstehlen. Vor Konflikten, die sich anbahnen, nicht die Augen zu verschließen, sondern sie anzusprechen. Auszuhalten, mal missverstanden zu werden, weil mir nicht gelingt, alles richtig zu erklären. Entscheidungen zu treffen, auch dann, wenn ich nur zwischen Pest und Cholera wählen kann.

 

Einfach unterwegs sein

„Und folge mir.“ Schaue ich auf das Leben von Jesus, fallen mir zwei Dinge auf: Die Liebe zu seinem Vater und die Liebe zu uns Menschen. Ergo, wenn ich Jesus folge, bin auch ich dazu aufgerufen, Gott und Menschen zu lieben. Dabei geht es mir nicht darum, Jesus zu kopieren, so als könnte ich sein wie er. Ich will aber mit meiner Persönlichkeit die Werte leben, die Jesus im Bezug zu seinem Vater und zu den Menschen wichtig waren. Als Nachfolgende darf ich auch Lernende sein, das schließt ein, dass ich auch Fehler mache. Das ist manchmal frustrierend, aber ich bin und bleibe Mensch. Für Jesus ist das mehr als okay. Es geht ihm nicht um Perfektionismus, sondern darum, dass ich als Martina Luschnat in der Beziehung mit ihm unterwegs bin und mich von ihm prägen und gebrauchen lasse.

 

Letztendlich heißt Nachfolge für mich aber, dass ich lerne, Jesus so zu vertrauen, so wie er seinem Vater vertraute. Als es um sein Leben ging, hat er sich durchgebetet: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Nikolaus von der Flüe hat diese Gedanken in Worte gefasst, die wir immer mal wieder in unserem Frühgebet sprechen – und mit denen ich schließen möchte:

 

Mein Herr und mein Gott,

nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

gib alles mir, was mich führet zu dir.

Mein Herr und mein Gott,

nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Amen

 

 

Sr. Martina Luschnat ist gelernte Tischlerin, gehört seit 1994 zur Kommunität, leitet diese seit 2022 in einem Dreierteam und war eine der ersten, die die neue Abseilstation im Erlebnisgarten des LZA ausprobierte.