So fühlt sich Aufbruch an

Er war der, der die meisten noch nicht kannte. Jürgen Schulz begegnete beim Absolvententreffen des TSA rund hundert Ehemaligen, und ging von Gespräch zu Gespräch, stellte Fragen und hörte zu, wurde selbst gelöchert und gab Antworten. Im Fokus all dessen ging´s um die Zukunft des Studiums und die Perspektiven des Seminars. Achtung: da liegt Aufbruchstimmung in der Luft!

 

 

Endlich wieder EM-Treffen. Für mich war es das erste des TSA überhaupt. Kurz vor Beginn der Freizeit mit den Absolventen hatten wir mehr als hundert Anmeldungen. „Was bewegt die Ehemaligen in den Osterferien nach Adelshofen zu kommen?“ habe ich mich (und sie…) gefragt. Die Antworten waren ganz unterschiedlich: „Alte Bekannte und Freunde treffen.“ „Mal wieder die alte Heimat besuchen.“ „Eine persönliche Auszeit nehmen.“ „Den neuen Rektor kennenlernen.“ In dem Fall also mich.

 

Innovativ und mutig

Schnell war mir klar: Adelshofen steht für Erweckung, Heimat und Tradition. Mit dem erweckten Glauben dann aber auch für Mut und Innovation. Unsere Halle war ja voll von Menschen, deren Leben davon geprägt war, im Vertrauen auf Gott Schritte ins Ungewisse zu wagen. Wir als „Familie, die gerade erst in Adelshofen ankommt“ haben uns in dieser Atmosphäre super wohlgefühlt. Es fühlte sich so herrlich nach Aufbruch an.

 

Viele Ehemalige waren aufgebrochen, um nach Adelshofen zu kommen. Nach der Pandemie war es wieder dran, sich auf den Weg zu machen, um alte Beziehungen neu zu beleben. Und für manche war die Reise auch eine bewusste Entscheidung, um wieder neu in der Beziehung mit Gott aufzubrechen. Der erste Abend war geprägt von ausgiebigen Gesprächen. Die einen freuten sich über die Lounge-Atmosphäre, die der Pianist Michael Schlierf im Speisesaal schuf. Andere wären wohl auch ohne Musik ausgekommen. Das blieb nicht der einzige Unterschied im Empfinden und es war gut, dass wir uns während und auch noch lange nach der Freizeit konstruktiv über ganz unterschiedliche Perspektiven austauschen konnten. In so einem wertschätzenden Miteinander, wie ich es erlebe, ist so viel möglich. Und ja, auch Aufbruch!

 

Still und unterwegs

Dass wir den Künstler Jürgen Föller für das Element „Kunst und Stille“ gewinnen konnten, war für mich persönlich ein kleines Highlight. Als Bruder von Br. Dr. Oskar Föller hat er eine lange Verbundenheit zum Haus. Seine Einladung in die Kapelle um Gott, mitten am Tag, in der Stille und im Gebet zu begegnen, habe ich gerne angenommen. Die Kontemplation war gut besucht und ich glaube, dass die Kunst ein wichtiger Weg sein wird, um einer immer stärker säkularisierten Welt das Evangelium neu nahe bringen zu können. Seit den Anfängen des TSA, wir feiern dieses Jahr immerhin schon unser 65jähriges Jubiläum, ist viel geschehen. Bei uns und in der Gesellschaft überhaupt. Aus den ersten Bibelschülern ging die Kommunität hervor. Das Werk wuchs und hinterließ eine große Spur des Segens, was dazu führte, dass beim EM-Treffen viele Generationen vertreten waren. Alle hatten Gott erlebt, und ich hörte immer wieder einen ausgesprochenen Wunsch: „Es wäre so schön, wenn mehr jüngere Teilnehmer vertreten wären.“ Ein guter Wunsch. Wir brauchen die Generation auf dem Campus, die sich heute frisch in Gottes Dienst stellt, um Kirchengemeinden und Werke in eine sich drastisch verändernde Zukunft zu führen. Die DNA unseres Hauses - gemeinsam erweckt glauben, gemeinsam erweckt leben - hat immer noch eine deutliche Strahlkraft, sie muss aber auch auf die heutige gesellschaftliche Situation angewandt werden. Wir haben eine große Aufgabe vor uns, die wir nur gemeinsam meistern können.

 

Das wir gemeinsam unterwegs sind, habe ich bei den Zeugnissen und Berichten an den Nachmittagen erlebt. Ich musste immer wieder staunen, wo wir als TSAler nicht überall vertreten sind. Auf dem Campingplatz. Im Plattenbau. Im diakonischen Dienst und in der Gemeindegründung. In Deutschland und im Ausland. Ehrenamtlich und im vollzeitigen Dienst. Wo und in welcher Form auch immer: stets mit Liebe zu Gott und den Menschen. Bei unserem Treffen bin ich Menschen begegnet, die Theologie leben. Geschwister unterschiedlichsten Alters, die mutig aufbrechen, im Vertrauen darauf, dass Gott sie leitet und führt. In der Erwartungshaltung, dass Gott neue Dinge schaffen wird, die heute noch nicht sind.

 

Anregend und kraftvoll

Eindrücklich war der Bericht der Organisation 1000+ am Donnerstagabend. Ihr wertvoller Dienst ist ein tolles Beispiel, wie sich die Reichweite einer Arbeit verändert, wenn die digitalen Angebote gut und zielgerichtet aufgestellt sind. Direkt nach dem Vortrag wurde ich gleich von mehreren Personen angesprochen, dass auch wir als Werk mit Blick auf die digitale Präsenz mutig vorangehen sollten. Ich kann nur sagen: wir sind dran.

 

Und dann stand auf einmal bei Einigen die Frage im Raum: „Soll auch ich aufbrechen und den Dienst wechseln?“ Jetzt, wo die Pandemie vorbei ist, höre ich immer wieder von Pastoren, dass es Zeit ist für eine Veränderung. Die einen ringen noch mit der Frage, die anderen haben sich schon entschieden und starten neu in einem anderen Dienst durch. Weil mich die Motivation für die Veränderung interessierte, fragte ich hier und da nach und bekam zur Antwort: „Die Zeit hat Spuren hinterlassen. Mit dem Wechsel wird neue Energie und Kraft freigesetzt.“ Die Gespräche haben mich ermutigt, dass es sich lohnt neue Schritte zu wagen. Sinnvoll, durchdacht und im Vertrauen auf Gott, aber auch entschieden und zielstrebig.

 

Persönlich und groß

Mit den Tagen wurden die Gespräche dann aber auch immer persönlicher. „Mir machen die vielen Veränderungen Mühe.“ und: „Ich wünsche mir ja Veränderung, aber woher soll ich denn die Kraft nehmen, um neu aufzubrechen?“ Mich freut es, dass wir am TSA gerade auch dafür Platz haben. Für Fragen, Zweifel und Ängste. Wir ignorieren sie nicht. Wir tragen sie gemeinsam, bringen sie vor Gottes Thron und halten auch die Spannung aus, nicht alle Antworten zu kennen. Die Sehnsucht nach Aufbruch und neuen Lebensperspektiven ist groß. Mich begeistert es, dass wir einander sehen. Es gehört zu unserer Kultur, dass wir einander ehrlich interessiert fragen: „Wie geht es dir?“ Wir lassen die Tiefen des Lebens zu, beten miteinander und investieren uns in den Nächsten, damit wir auch die Schattenseiten des Lebens glaubensvoll ertragen.

 

Das Ehemaligen-Treffen bot Tage des Aufbruchs. Die, die in Adelshofen gemeinsam das Leben geteilt haben, sind auch heute noch im Glauben miteinander verbunden. Wir habe eine DNA des Glaubens, die wir mutig teilen dürfen. Ich bin Menschen begegnet, die sich nicht scheuen ihre Müdigkeit auszusprechen und in der Gemeinschaft Ruhe und Halt finden. Ich bin Menschen begegnet, die den Auftrag Gottes, bis ans Ende der Welt zu gehen, zu ihrem gemacht haben. Die für Gott ihr Bestes geben und andere einladen, sich mit ihnen auf den Weg zu machen. Und ich bin beim EM-Treffen vielen mutigen Menschen begegnet, die uns in Adelshofen ermutigt haben, glaubensvoll aufzubrechen. Wieder ein mal. Danke.

 

 

Jürgen Schulz, verheiratet mit Lydia und Vater von vier Kindern, ist seit Januar 2023 Rektor des Theologischen Seminars Adelshofen. Er hat eine tiefe Liebe zur Gemeinde, eine Leidenschaft für das Alte Testament, befindet sich mitten in der Promotion, und meint: geht nicht, gibts´nicht!