Woanders leben

Im Prinzip weiß man das ja, oder hat zumindest schon mal davon gehört. Woanders ist es anders – einer der großen Sätze von Sr. Magdalene. Und er ist so wahr! Was diese Wahrheit bedeutet, wenn man woanders nicht nur zu Besuch, sondern gar zu Hause ist, erzählt Malindi Njung´e und meint: es ist nicht immer einfach.

 

 

Einer der wichtigsten Punkte, die ich unseren neuen Mitarbeitern auf dem Missionsfeld mitgebe, ist folgender: „Sei dir bewusst, dass du überall der Missionar bist und beobachtet wirst. Egal, ob du gerade deinen freien Tag in der Stadt verbringst, einen Spaziergang in der Nachbarschaft machst, oder hier bei uns auf dem Gelände arbeitest: Du bist überall der Missionar.“

 

Kultur verstehen

Wir stehen in der Nachfolge Jesu und haben einen Auftrag. Authentisches Christsein ist mir wichtig. Dabei denke ich oft an die Worte Franz von Assisis: „Predige das Evangelium zu jederzeit – wenn nötig, gebrauche Worte“. Unser Leben soll ein Zeugnis sein und auf Jesus hinweisen. Doch wie sieht das im Alltag tatsächlich aus? Was ich unseren Mitarbeitern mitteile, ist für mich selbst immer wieder eine Herausforderung. Ich bin unterwegs mit Gott in einer fremden Kultur. Auf unserer Missionsstation treffen kenianische und deutsche Kultur zusammen. Zusätzlich kommen wir alle aus sehr unterschiedlichen Gemeinderichtungen. Gemeinsam haben wir ein Ziel: Jesus bekannt zu machen.

So ein gemischtes Team hat viele Vor- und Nachteile.

 

Eine der offensichtlichsten Schwierigkeiten ist die Sprache. Richtig verstanden zu werden ist manchmal schon im eigenen Land schwierig. Kommt noch die fremde Sprache dazu und alles, was an Verständnis dazu gehört, stehen wir oft vor einer großen Herausforderung. Außerdem muss ich lernen, mein Gegenüber in seiner Kultur zu verstehen. Wie drücken wir uns aus, wie sagt man was, wie gehe ich schwierige Themen an? Und vor allem: Wie kann ich das Evangelium verständlich erklären? Welche Themen sprechen die Menschen an, wo ist Vorsicht und Sensibilität geboten?

 

Wenn ich zum Gottesdienst gehe, möchte ich erbaut werden. Aber das ist hier nicht so leicht. Zum einen wird nicht in meiner Muttersprache gepredigt. Oft wird von der Stammessprache auf Englisch übersetzt. Zum anderen handeln die Alltagsbeispiele oft von Landwirtschaft und Tierhaltung. Nicht gerade meine Welt. Außerdem spielt die Kultur immer eine Rolle. Wie verstehen wir die Bibel aus unserer eigenen Kultur heraus? Wie verstehen Menschen aus einer anderen Kultur denselben Bibeltext? Es kann augenöffnend sein, aber auch schockierend oder unverständlich.

 

Wichtig ist das Zentrum

In unserem Team besteht die Möglichkeit, tiefer zu graben. Täglich findet eine gemeinsame Andacht statt. In den wöchentlichen Hauskreisen gibt es Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen und verschiedene Verständnisse auszudiskutieren. Die unterschiedlichsten Gemeindehintergründe kommen dazu und machen das gemeinsame geistliche Leben spannend. Wir lernen zum einen, Themen zu diskutieren und Unterschiede zu benennen, zum anderen, einander stehen zu lassen mit den unterschiedlichen Verständnissen und Lebensstilen. Wichtig ist das Zentrum: Jesus und die Bibel. Unsere Richtschnur. Ganz automatisch kommt man nämlich zur Frage: Was ist denn die richtige Kultur? Was ist das wirklich richtige Verständnis der Bibel? Was ist denn Gottes Kultur? Es geht nicht mehr um die Deutschen oder die Kenianer. Es geht um Gott. Um seine Denkweise, sein Verständnis. Hier erlebe ich ein großes Geschenk, in einem gemischten Team und in einer interkulturellen Ehe zu leben.

 

Unterwegs muss ich mich immer wieder neu entscheiden, Nachfolge Jesu zu leben. Menschen, vor allem Kinder, rufen von Nah und Fern nach den „Wazungu“ (weiße Menschen). Seit 20 Jahren besteht unsere Missionsstation in dieser Nachbarschaft, doch immer noch werden wir Europäer sehr besonders gesehen. Jede Woche muss ich neu eine Entscheidung treffen: Ignoriere ich die Rufe und ärgere mich darüber, oder gehe ich auf die Menschen ein und Grüße zurück, lächle sie an, führe vielleicht sogar etwas Smalltalk und nehme mir die Zeit für Begegnungen? Was würde Jesus tun? Schließlich folge ich ihm nach. Und natürlich ist mir klar: Jesus nahm sich Zeit für die Menschen. Für Jeden. Wenn ich mich durchgerungen habe, freundlich zu grüßen und Kontakt aufzunehmen, bin ich hinterher meistens beglückt und froh, mich überwunden zu haben.

 

Wenn ich freundlich grüße

Auch in der Stadt, wenn ich eigentlich einfach mal für mich sein möchte, erlebe ich das. Innerlich bin ich oft von den vielen Rufen so genervt und möchte die Leute ignorieren, wenn nicht sogar böse Kommentare abgeben. Wenn ich jedoch freundlich zurückgrüße, einfach jemanden anlächle, verändert sich nicht nur das Gesicht meines Gegenübers, sondern auch mein Herz. In der Nachfolge zu leben, bedeutet für mich, es Jesus gleich zu tun. Das versuche ich. Selbst die kleinste Geste kann eine große Wirkung haben. Einfach ist es jedoch nicht und jede Woche neu stehe ich vor dieser Herausforderung.

 

In der Schule habe ich die Möglichkeit, den Kindern Gottes Wort weiterzugeben. Dabei habe ich die Freiheit, eigene Themen zu wählen und vor allem die Mädchen in den höheren Klassen zu begleiten. Ich möchte den Mädchen helfen, in ihrem eigenen Umfeld klarzukommen und Jesus nachzufolgen. Meine Herausforderung ist: Ich will ihnen in ihrer Kultur und Gesellschaft gerecht werden, das Wort Gottes erklären und meine eigenen Lebenszeugnisse weitergeben. Doch will ich keinesfalls zum Anstoß werden. Wie gut, dass Gottes Kultur unsere Mitte ist. Wenn man mal die Kultur auf die Seite schiebt, kann man ganz anders darüber nachdenken, was ein gelesener Bibeltext wirklich meint und was er mit mir zu tun hat.

 

Es geht um das, was uns verbindet

Ich bin so dankbar über die Möglichkeit, Zeit mit Menschen zu verbringen. Beziehungen gehen vor! Und so lerne ich mehr und mehr die Denk- und Lebensweise der Kenianer kennen. Wo Gottes Kultur als dritte Kultur hineinkommt, da geschieht Nachfolge und geistliches Wachstum. Da können wir uns verbinden, gemeinsam auf den Weg gehen und Alltag im Reich Gottes hier auf Erden leben. In der Nachfolge kommt es für mich nicht darauf an Unterschiede zu entdecken. Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu finden und miteinander unterwegs zu sein. Egal wo ich mich befinde: In Kenia, in Deutschland, auf der Missionsstation oder in der Stadt. Ich möchte Jesus nachfolgen und durch mein Leben andere anstecken, es gleich zu tun. Ihm ähnlicher zu werden ist das Beste, was uns passieren kann.

 

 

Malindi Njung´e hieß vor ihrer Hochzeit Lohse, absolvierte 2017 am TSA und lebt seit 2018 in Kenia, wo sie seit 2023 mit John verheiratet ist. Sie liest, musiziert und schaut gerne Filme – außerdem begeistert sie alles, wo sie ihr Organisationstalent einbringen kann.