Zurück auf Null

Auf Null zurück, wer möchte das nicht. Ganz von vorne beginnen. Neu anfangen. Aber geht das überhaupt? Unser Leben ist doch keine Festplatte wie beim Computer, die wir löschen können. Willi Faix meint: Zurück auf null, ja, das geht gut! Allerdings nur bei Gott. Wie dieser Neustart gelingen kann, und wie wir ein neues Leben leben, als wäre das alte nicht mehr da, erklärt er hier.

 

 

Für solch einen Neustart hat Gott eine Möglichkeit geschaffen: Jesus. Unsere Gottesferne hat Jesus durch seinen Tod am Kreuz aufgehoben und damit die Voraussetzungen für einen Neuanfang geschaffen. Gott hat den ersten Schritt getan und alle Schuld der Vergangenheit und Zukunft für uns gesühnt (Gal 1,4), damit wir versöhnt leben können (2Kor 5,18/19). Der Apostel Paulus sagt es so: „Er (Gott) hat den Schuldschein, der mit seinen Forderungen gegen uns gerichtet war, für ungültig erklärt. Er hat ihn ans Kreuz genagelt und damit für immer beseitigt.“ (Kol 2,14, NeÜ). Alle unsere Verfehlungen sind bereits mit Jesus ans Kreuz genagelt und damit beseitigt. Jesus hat unser Leben mit allen seinen Verfehlungen und Schuldiggewordensein auf Null gesetzt. Ein neues schuldenfreies Leben ist möglich. Wir fragen erstaunt: Warum ist das so? Die Antwort lautet: „Er (Gott) hat den, der ohne Sünde war, für uns zur Sünde gemacht, damit wir durch ihn zu der Gerechtigkeit kommen, mit der wir vor Gott bestehen können.“ (2Kor 5,21, NeÜ). Entscheidend sind die zwei kleinen Wörtchen „für uns“. Mit anderen Worten: Jesus hat unser altes Leben auf sich genommen und tauscht es mit einem neuen Leben ein. Das Wort Gerechtigkeit steht hier für das neue Leben. Dieses neue Leben ist ein Geschenk Gottes an uns. „Denn durch die Gnade seid ihr gerettet worden aufgrund des Glaubens. Dazu habt ihr selbst nichts getan, es ist Gottes Geschenk.“ (Eph 2,8, NeÜ). Haben Sie dieses Geschenk Gottes schon angenommen? Wenn nicht, dann empfangen Sie es jetzt im Glauben und beten: „Herr Jesus Christus, ich gebe dir mein schuldbeladenes Leben. Bitte gib mir dafür Dein neues Leben“.

 

So einfach? Oder einfach so?

Jetzt ist Ihr Leben auf Null gestellt. Das neue Leben kann beginnen. (2Kor 5,17) Wir merken aber sehr schnell, dass wir in unserem Miteinander wieder schuldig werden. Dann gilt es wieder die Schuld bei Jesus abzuladen, damit es wieder auf Null gestellt wird. Sie sagen: So einfach ist das? Versuchen Sie es und Sie werden merken, dass es gar nicht so einfach ist Schuld und Versagen einzugestehen. Wir sind alle Meister im Schuld-Verschiebe-Spiel. Wir sehen die Schuld und das Versagen immer bei den anderen.

 

Ich hatte mit meiner Frau Streit. Eigentlich eine Lappalie. Ich sagte einige böse und ungute Worte. Verärgert ging ich an meine Arbeit. Aber in mir rumorte es. Du musst dich entschuldigen. Eigentlich klar, aber ich, jetzt? Es beginnt ein Kampf in mir. Wer wird diesen Kampf gewinnen? Viele Gedanken schießen mir durch den Kopf. Eigentlich ist sie schuld, und jeder sagt schließlich mal ein böses Wort. Dafür braucht man sich doch nicht entschuldigen. Meine Frau sollte sich entschuldigen, dass sie mich zu solchen Worten gereizt hat. Schließlich raffe ich mich auf und gehe zu meiner Frau. „Bitte entschuldige, dass ich vorhin so heftig reagiert habe und böse Worte sagte.“ Meine Frau vergibt mir und in meinem Herzen kehrt wieder Friede ein. Kennen Sie solche Situationen auch?

 

Eine Frage der Kulturrevolution

Eigentlich ist es doch völlig klar, dass wir aneinander schuldig werden und uns darum auch entschuldigen müssen. Aber ist es wirklich so klar? Überlegen Sie: Wann habe Sie sich zum letzten Mal entschuldigt? Es ist kein Problem ganz allgemein darüber zu sprechen, dass wir als Menschen schuldig werden und uns darum auch entschuldigen sollten, aber wenn es mich betrifft, dass ich mich entschuldigen soll, dann ist es nicht mehr so klar. Wir haben alle kein Problem ganz allgemein Vergebung zu beanspruchen und zu fordern, aber wenn es darum geht, dass der Mann die Frau und umgekehrt oder die Eltern die Kinder oder ein Gemeindeglied das andere um Entschuldigung bitten sollen, dann wird es schwierig. Dann kommen wir an unsere Grenze, dann finden wir Gründe, warum ich es nicht tun brauche. Aber so bedingungslos wie Gott in Jesus Christus uns vergeben hat, so bedingungslos sollten auch wir vergeben. Wir brauchen dringend eine „Kultur der Vergebung“ und müssen weg von der „Kultur der Schuldzuweisung“. Wir finden immer jemanden, der Schuld hat und eine Erklärung, warum man selbst im Recht ist. Das gilt nicht nur für Streit in der Ehe und Auseinandersetzungen mit den Kindern, sondern auch im Miteinander in der Gemeinde oder mit dem Arbeitskollegen und Nachbarn oder auch was die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen betrifft. Viele Freundschaften, Hauskreise und auch Gemeinden sind zum Beispiel wegen der Corona-Impffrage auseinandergebrochen. Theologisch ist in solchen Auseinandersetzungen immer klar: Wir leben von der Vergebung Gottes und es ist wichtig, einander zu vergeben. Der Weg aber selbst um Vergebung zu bitten und Vergebung zu gewähren, ist ein weiter Weg, und oft genug wird er gar nicht beschritten. Aber wir sollten uns im Klaren sein, wenn wir nicht bereit sind zu vergeben und um Vergebung zu bitten, lehnen wir auch die Vergebung, die Gott in Jesus Christus für uns gewirkt hat, ab.

 

Immer ohne aufzuhören

Jesus lehrt uns im „Vater unser“ beten: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben.“(Matth 5,12). Jesus spricht in dieser Bitte das zentrale Thema der Vergebung an. Diese Bitte macht uns deutlich, dass wir immer wieder schuldig werden und Vergebung benötigen und das Menschen an uns schuldig werden, denen wir vergeben sollen. Eigentlich müssten wir diese Bitte so übersetzten: „Vergib uns unsere Schuld, so wie wir vergeben haben und immer wieder vergeben, die an uns schuldig werden“. Jesus erklärt uns diese Bitte in einem Gleichnis, als Petrus ihn fragt, wie oft man vergeben soll. Die Rabbiner lehrten, dass man einem Menschen viermal täglich vergeben soll. Petrus geht weit darüber hinaus, wenn er von siebenmal täglich spricht. Die Antwort Jesus lautet: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal, das heißt immer, ohne aufzuhören. (Mt 18,21-35)

Wie oft sind Sie bereit zu vergeben? Diese Bitte im Vaterunser verstärkt Jesus in einem Nachtrag zum Vaterunser, wenn er sagt (Matth 5,14-15, ZB): „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird auch euer Vater eure Verfehlungen nicht vergeben.“ Die Vergebung, die wir von Gott für uns erbitten und auch bekommen, ist abhängig von unserer Vergebungsbereitschaft, die wir anderen gegenüber gewähren, die an uns schuldig geworden sind. Das Leben auf dieser Erde ist immer mit schuldigwerden verbunden, darum gehört die Bereitschaft zur Vergebung (vgl. 1Joh 1,7; 3,3; 2Petr 1,9) und Erneuerung (vgl. Röm 12,2; Tit 3,5) zum alltäglichen Leben. Jeder von uns sollte sich darum fragen: Wie steht es mit meiner Vergebungsbereitschaft, besonders Menschen gegenüber, die an mir schuldig geworden sind? Gibt es Menschen, die ich um Vergebung bitten sollte?

 

Wir halten fest: Bevor wir Menschen irgendeine Schuld begangen haben, hat Gott sie schon für nicht vorhanden erklärt. Vergebung ist darum nichts anderes, als dass ich Jesus bitte, den Müll, der sich in meinem Leben angesammelt hat, wegzunehmen, damit das neue Leben wieder möglich ist. Der Müll, den Jesus für mich entsorgt, hat zur Folge, dass ich bereit bin zu vergeben, damit der Müll, der sich zwischen uns Menschen ansammelt, von Jesus entsorgt werden kann. Warum ist das so? Es hat seinen Grund darin, dass wir das neue Leben in Jesus Christus in unserem alten Leben empfangen. Es ist also weiter möglich schuldig zu werden und wir werden ständig schuldig. Wir erfahren es immer wieder und können mit dem Psalmisten sprechen: „Meine Schuld ist mir über den Kopf gewachsen; sie wiegt zu schwer, ich kann sie nicht mehr tragen“. (Ps 38,5, GNB). Vergebung ist darum der ständige Erneuerungsprozess des neuen Lebens aus Gott (Röm 12,2). Damit unser Leben immer wieder auf Null gestellt wird, gilt es dem Beispiel Gottes zu folgen (Gal 5,1). Dann werden wir zu einem guten Geruch für unsere Umwelt (2Kor 2,14-15). So gewinnt Christus Gestalt in uns (Gal 4,19). Gottes Ziel ist es, das wir als neue Menschen aus den von Gott für uns bereitgestellten „guten Werken“ unser Leben gestalten (Eph 2,10). Das ist eine lebenslange Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken sollten.

 

Sind Sie bereit „Zurück auf Null“ zu gehen? Stellen Sie sich nur einmal vor, was das für Ihre Ehe, Ihre Familie, Ihre Nachbarschaft, Ihre Verwandtschaft, Ihr Miteinander in der Gemeinde und ihr gesellschafts-politisches Engagement bedeuten könnte!

 

 

Wilhelm Faix gehört seit 1978 zum Lebenszentrum und der Kommunität, sammelte, bevor er nach Adelshofen kam, 15 Jahre lang praktische Erfahrung im Gemeindebau. Er lehrte am Theologischen Seminar Adelshofen Teamarbeit, Gemeindebau, Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie. Daneben war er in der Gemeindeberatung und Seelsorge tätig und ist nach wie vor als Persönlichkeitscoach aktiv. Er ist mit Barbara verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.